Historischer unveröffentlicher Bericht aus der Gründungszeit des Obst- und Gartenbauvereins Harbach

Karl Söhngen (1902-1978) war in den 1930er Jahren Lehrer in Harbach. In seinen privaten unveröffentlichten Aufzeichnungen finden sich Hinweise zur Geschichte des Obst- und Gartenbauvereins Harbach:

 

"Einen beachtlichen Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung des Dorfes hatte der Obstbau. Leider erkannten viele Landwirte zu spät die Bedeutung des Obstbaus. Sie legten deshalb keinen großen Wert auf die Pflege der Bäume. Wenn sie ihnen nur so viel einbrachten, wie es der eigene Bedarf erforderte, waren sie zufrieden. Mit lohnendem Obstabsatz rechneten sie von vornherein nicht, weil sie annahmen, das Klima der Grünberger Gegend erlaube nicht den Anbau schmackhaften Tafelobstes. Gingen durch Wildfraß, Kälte oder Krankheiten Bäume ein, dann wurde nicht immer für Nachwuchs gesorgt. Manche Bäume waren die reinsten Ruinen und geradezu paradiesische Schlupfwinkel für allerlei Obstschädlinge. Wesentlich besser wurde es, als sich verschiedene Jungbauern mit dem Obstbau befaßten. Sie fanden in dem Landwirt Georg Krug einen eifrigen Förderer der modernen Obstbaubestrebungen.

Georg KrugAm 1.12.1935 kam es zur Gründung des Obst- und Gartenbauvereins! Vorsitzender wurde der verdiente Georg Krug, Rechner Wilhelm Schomber. In kurzer Zeit zählte der Verein 34 Mitglieder. Er enwickelte sich in den kommenden Jahren äußerst vorteilhaft und zeigte - was ja schließlich das wichtigste war - in der Praxis beachtliche Forschritte. Natürlich konnten von heute auf morgen keine mustergültigen Obstanlagen geschaffen werden. Vor allen Dingen war es der Vereinsleitung und einigen rührigen Mitgliedern gelungen, die Einwohnerschaft von der wirtschaftlichen Bedeutung des Obstbaues zu überzeugen. Die weitere Folge war eine bessere Pflege der vorhandenen Obstbäume und eifrige Nachzucht im Interesse der heranwachsenden Generation. Als durch besseres Auslichten, gründliche Reinigung und verschiedene Spritzungen in den kommenden Jahren eine Steigerung des Obstertrages erzielt wurde, da zeigten sogar die gleichgültigsten Obstbaumbesitzer Interesse. Georg Krug hatte sein vorläufiges Ziel erreicht und konnte stolz sein." 

"Im Herbst 1934 wurden bei der Versteigerung des Gemeindeobstes sehr hohe Preise erzielt. Ein Baum mit gutem Behang kostete 10-15 RM. [Zum Vergleich: 1 kg Mischbrot kostete 1936 etwa 0,35 RM, d. Verf.] Die Rekordleistung in der Eigenzucht erzielte Heinrich Münch 7. Die besten Exemplare seiner Obstsorte "geflammter Kardinal" wogen durchschnittlich 280 g.

Im Jahr 1935 ließ die Kirschenernte sehr viel zu wünschen übrig. Die Bäume besaßen im Frühjahr einen Blütenreichtum sondersgleichen und versprachen eine Rekordernte. Durch die kalten Mainächte wurden jedoch die Früchte vollkommen vernichtet. Noch nicht einmal eine Kostprobe fiel für die enttäuschten Besitzer ab. Durchaus befriedigend war dagegen die herbstliche Obsternte. Besonders die Zwetschgenernte fiel sehr gut aus. Zahlreiche Einwohner konnten zu guten Preisen beträchtliche Mengen absetzen und sich damit eine erwünschte Nebeneinnahme sichern.

1936 gab es in der Gemarkung eine überreiche Zwetschgenernte. Überall hingen die Bäume, selbst die kleinsten, zum Brechen voll. Nicht immer war es möglich gewesen, die Bäume so zu stützen, daß das Abbrechen überladener Äste verhindert wurde. Auf diese Weise entstanden hier und da Schäden, leider auch an vielen Jungbäumen.

Das Jahr 1937 brachte eine leidige Kirschernte. Der Behang der Bäume versprach eine mittelmäßige Ernte. Kaum fingen aber die ersten Früchte an zu reifen, da fielen große Schwärme von Staren in die Obstbaumstücke ein. Täglich kamen neue Schwärme hinzu, so daß man schließlich von einer wahren Starenplage sprechen konnte. Vogelscheuchen, Kirschenklappern und dergleichen Abschreckungsmittel halfen nichts. Selbst der Abschuß der vorwitzigsten Tiere störte die Schwärme nicht. Sie flogen zwar nach den Schüssen für einige Minuten weg, stellten sich dann aber wieder von neuem ein. Da während der Haupterntezeit auch noch das Dickwurzsetzen im Gange war, kamen viele Besitzer um ihre sämtlichen Früchte. Ältere Leute konnten sich nicht entsinnen, jemals eine derartige Starenplage miterlebt zu haben. - In den nachfolgenden Jahren entwickelte sich der Obstbau recht günstig. Schwere Rückschläge brachten die harten Kriegswinter mit ihrer entsetzlichen Källte. Wie überalle, so gingen auch in unserer Gemarkung zahlreiche wertvolle Obstbäume ein. Es wird lange dauern, bis der Schaden ausgeglichen ist, zumal die Anschaffung junger Obstbäume mit gewissen Schwierigkeiten verbunden ist."

Vielen Dank an dieser Stelle an Sven Schepp, der diesen Bericht recherchierte und zur Verfügung stellte!

Quelle: private Aufzeichnungen des Lehrers Karl Söhngen